Die Kampagne zur Darmgesundheit von Allergan wirkt auf den ersten Blick vor allem eines: nicht sehr geschmackvoll – Der Poop-Emoji inmitten einer Toilette soll Aufmerksamkeit auf das Thema Verdauung richten.
Tabuthema Darmgesundheit
Es ist nicht einfach, jemanden dazu zu bewegen, über seine Verdauung zu sprechen. Das passiert wenn, dann in Form von Witzen oder dummen Sprüchen. Ein vernünftiges Gespräch ist nicht einfach – gerade in Amerika, wo das Thema noch wesentlich stärker tabuisiert wird. Dabei ist Darmgesundheit nicht unwichtig und wer langfristig oder häufig Probleme hat, sollte mit einem Arzt darüber sprechen.
Allergan versucht mit der Kampagne, das Tabu zu durchbrechen und setzt auf eine explizite Darstellung: Im Rahmen einer Interviewserie lädt die Moderatorin Passanten auf Toiletten nachgebildete Stühle ein, um über ihre Verdauung zu sprechen.
Auch die übrigen Materialien sind voll darauf ausgerichtet, dass es Patienten schwer fallen könnte, über ihre Verdauung zu sprechen. Auf der Webseite können sie einen Fragebogen ausfüllen und sich diesen zumailen lassen, um ihn einem Arzt zu geben – statt das direkte Gespräch starten zu müssen.
Tabuthemen sind überall unterschiedlich
Das Thema Darmgesundheit ist in Europa und im deutschsprachigen Raum weniger stark tabuisiert. Nachdem im letzten Jahr ein Buch zum Thema alle Bestsellerlisten erobert hat, war es auch nicht schwierig für Menschen, im Zweifel am Esstisch oder beim gemütlichen Beisammensein mit Freunden über ihre Ernährung, Verdauung und die spannenden Funktionen des Darms zu plaudern.
Neben alltäglichen Erkrankungen, die auch mit Medikamenten von Allergan behandelt werden könnten, liegt der Fokus deutscher Marketingkampagnen vor allem auch auf Darmgesundheit durch Vorsorgeuntersuchungen. Zeitschriften für Frauen weisen auf die Bedeutung der Vorsorgeuntersuchungen hin – genau wie Spots im Kino. Eine Kampagne zur Darmgesundheit bedeutet keine Aufregung. Eine Kampagne, die so offensichtlich auf explizite Diskussion der Verdauungsprodukte ausgerichtet ist, wäre es vielleicht schon.
Tabuthemen unterscheiden sich von Region zu Region – aber es kann gut sein, dass ein Medikament, das Sie anbieten, ein Tabuthema berührt.
Konfrontationskampagnen für mehr Bewusstsein
Manchmal ist die richtige Herangehensweise eine Art Konfrontationskampagne. Wie beispielswiese auch bei der Kampagne zur Darmgesundheit kann man sich dabei freundlicher Darstellungen bedienen – der Emoji zum Thema wirkt sicherlich freundlicher als die meisten realistischen Darstellungen.
Trotzdem riskiert Allergan auch die Verbindung mit anderen Aspekten – beispielsweise „billig“. Denn Emoji-Artikel – Plüschtiere, T-Shirts oder Spardosen – findet man vor allem als Dekoprodukte zum Wegwerfen oder für Jugendliche.
Die bisherigen Kampagnen in Deutschland hatten eher einen gehobenen Stil: Das Ehepaar im Kinospot bereitete sich in einem großen Anwesen auf den Abend im Theater vor. Die Frau in der Webeanzeige verbringt gut gekleidet den Tag mit Luxusshopping. Und das Buch zum Thema Darmgesundheit präsentierte zwar lockere Zeichnungen aber auch eine junge Frau in ordentlichem Blazer.
Konsequente Umsetzung
Ein Beispiel setzt die Kampagne zur Darmgesundheit aber trotzdem auch für alle Projekte, die nicht auf Konfrontation oder Tabus ausgelegt sind. Die Herangehensweise basiert darauf, dass die Scham der Patienten eine große Hürde darstellt. Deswegen wird bei den Interviews am Aktionsstand auch genau das berücksichtigt. Online bedeuten die Fragebögen, die man ausdrucken kann statt die Themen ansprechen zu müssen, eine weitere Erleichterung für Patienten, die ihre gesundheitlichen Probleme als Tabu empfinden.
Ähnlich sollten auch andere Kampagnen von vorn bis hinten zusammenpassen. Zum Thema gehört nicht nur das Medikament oder die Krankheit, sondern auch, wie das Thema Patienten empfinden lässt. Eine Werbekampagne muss die Gefühle adressieren: Scham, Trauer, Angst – was gehört zur Krankheit und Behandlung dazu?