Konservative US-Pharma: Fernsehen bleibt Marketing-Tool Nummer 1
Die meisten Werbetreibenden verschieben ihre Etats ins Digitale. Nicht so Pharma: Hier bleibt das herkömmliche Fernsehen nach wie vor das primäre Mittel der Wahl, wenn es um die Kommunikation mit den breiten Massen in den USA geht.

Man muss ja nicht jeden Trend mitmachen. Aber manche Trends sind so dominant, dass es schon auffällig – und erwähnenswert – ist, wenn jemand nicht mitmacht. Etwa bei Digitalisierung und Werbung in digitalen Medien.
Eine kürzlich präsentierte Studie des US-Medienbeobachters MediaRadar stellte fest, dass Fernsehwerbung noch immer der Eckpfeiler des Pharma-Marketings ist. Während bei den meisten Branchen der Trend unausweichlich in Richtung digitale Medien weist, verhält sich Pharma da anders – konservativer.
Patienten sitzen vor dem Fernseher?
Das herkömmliche Fernsehen ist dabei das primäre Medium der Wahl. Und es behauptet sich auch gegenüber den digitalen Medien, wenn es um die Etats geht. Im nordamerikanischen Markt wurden demnach im Jahr 2021 fünf Milliarden US-Dollar für Fernsehwerbung ausgegeben, das sind immerhin 70 % der Gesamtausgaben der Pharmabranche. Und die Ausgaben steigen: Fernsehwerbung verzeichnete ein Plus von 3 % gegenüber dem vorangehenden Jahr 2020.
Die Wachstumsrate wird vor allem dann interessant, wenn man das gesamte Bild betrachtet. Denn insgesamt blieben die Gesamtausgaben für Werbung in Digital und Print mit jeweils etwa einer Milliarde gegenüber dem Vorjahr unverändert. Der Gesamtetat, der für Pharmawerbung ausgegeben wurde – insgesamt sieben Milliarden US-Dollar – wies nur ein leichtes Wachstum von gerade einmal einem Prozentpunkt auf, der augenscheinlich nur vom Anwachsen der Fernsehwerbung getragen wird.
Offenbar ist das Fernsehen für die Marketer im Pharma noch immer die primäre Strategie, wenn es um DTC-Aktivitäten, also um das Erreichen möglichst großer Patienten- und Käuferschichten geht.
Ursachen für diese Situation könnte es viele geben. Höhere Effizienz der digitalen WWerbung mit insgesamt höheren ROI? Höhere Präsenz der primären Zielgruppe von DTC-Kampagnen vor dem Fernseher?
Vielleicht liegt es aber auch an der risikoscheuen Kultur der (nordamerikanischen) Pharmaindustrie, die Innovationen und Aktivitäten im digitalen Bereich bremst. Der US-Marketing-Experte Rob Verheul forderte erst kürzlich eine Kulturänderung (ePharma berichtete – Link zu 05_18_Konservative Pharma verhindert).
Ausreißer AIDS
Der einzige Ausreißer laut dem Bericht ist der Bereich HIV/AIDS. Dieser Bereich ist in den USA für 9 % der Gesamtausgaben im Werbebereich verantwortlich. Und im Bereich HIV werden untypische 28 % für digitale Werbung ausgegeben. Hier wiederum ist Video das Mittel der Wahl, wobei den Bärenanteil (sensationelle 99,5 %) davon wiederum YouTube schluckt.
Interessant ist gemäß den Studienautoren auch die Auswirkung von Covid auf die Entwicklung der Werbeausgaben. Wurde etwa im Jahr 2018 ein Anstieg der Marketingausgaben von erstaunlichen 32 % auf 6,6 Milliarden Dollar registriert, so verlief die Wachstumskurve pandemiebedingt flacher – aber nicht negativ.