Erfolg durch Digitalisierung – aber nicht bei der Pharmaindustrie?
Nur 4 % der digitalen Produkteinführungen der Pharmaindustrie am nordamerikanischen Markt waren in den letzten Jahren erfolgreich. Um besser zu werden, braucht es laut einer neuen Studie keine Marketinginitiativen, sondern bessere Orientierung am Kunden – und mehr Mut.

Es geht um Apps, Webseiten und andere Tools im virtuellen Bereich – nicht um Medikamente. Und in eben diesem Bereich der digitalen Innovation ist die Pharmaindustrie sehr schwach. Das zeigt eine Studie, die unlängst der US-Headhunter Graphite und Reuters Event gemeinsam präsentiert haben. Demnach behindere die „von Natur aus risikoscheue Kultur“ der Pharmaindustrie die erfolgreiche Einführung digitaler Produkte.
Prinzipiell wissen die Pharmaproduzenten ja, wohin die Reise geht. Bei der der Studie zugrunde liegenden Umfrage sagten vergangenes Jahr 91 % der Befragten, dass „von der Pharmaindustrie aufgestellte oder unterstützte digitale Produkte für medizinische Fachleute und Patienten einen Mehrwert bringen können, indem sie die Customer Experience verbessern.“ Einzig bei der Umsetzung fehlt den Unternehmen dann offenbar der richtige Drive.
Nur 4 % regelmäßig erfolgreich
Denn nur 4 % der insgesamt 400 weltweit befragten Entscheider aus der Pharmaindustrie gaben bei der Befragung an, dass ihre Produkteinführungen am digitalen Sektor „regelmäßig ein Erfolg“ sind.
Von den Befragten, die ihrem Unternehmen den geringsten Erfolg bei digitalen Produkteinführungen attestierten, sahen die meisten das Problem bei mangelnder Erfahrung in Sachen Digitalisierung und zu geringem „internen digitalen Reifegrad“ des Unternehmens. Malcom Fogarty, Digitalisierungsvordenker aus dem Umfeld von GlaxoSmithKline, geht einen Schritt weiter: Er attestierte vielen Akteuren trotz bester Absichten, dass sie letztendlich „von veralteten Standardverfahren und Vorschriften behindert würden“.
Industrie zu risikoscheu?
Rob Verheul, Geschäftsführer von Graphite, nennt das Kind beim Namen: „Eine von Natur aus risikoscheue Kultur der Pharmaindustrie führt dazu, dass Produktinnovationen im digitalen Bereich lange brauchen, bis sie auf den Markt kommen. Wenn sie dann endlich da sind, sind Zweck und Wirkung oft geringer als ursprünglich erhofft.“ Da müsse eine Kulturänderung her. Verheul: „Die Art zu arbeiten muss sich ändern, vor allem, wenn es um User-Research und Kundenorientierung geht. Die Pharmaindustrie muss den Schritt von einer Produkt- hin zu einer User-Orientierung gehen, um Schlagkraft und Erfolg ihrer digitalen Produkte in Zukunft zu verbessern“, so der Digitalisierungsexperte.
Vielleicht muss man auch an der Denkweise des Vertriebs arbeiten. Immerhin gaben 14 % der Befragten an – und mehr als die Hälfte von diesen stammten aus Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern –, dass die Verschiebung des Fokus von Verkaufserfolg auf den Erfolg des Kunden eine große Herausforderung sein werde. Der richtige Einsatz digitaler Tools könne da Zeit freimachen, die für die Intensivierung von hochwertigen Beziehungen zu Ärzten und Verantwortlichen des Gesundheitsbereiches eingesetzt werden, zeigten sich die Autoren der Studie überzeugt.