Verkleidete Chinesen – oder ein Start-up wie kein anderes?

01.06.2022 Trends
3 Minuten Lesezeit

Chinas Big Pharma plant die Revolution. Nach einem langen Marsch an die Spitze der chinesischen Pharmaunternehmen will Hengrui Pharmaceuticals mit seiner West-Tochter Luzsana Biotechnology und einem neuen Betriebsmodell die Kosten für Arzneimittel „quantifizierbar senken“.

Hengrui Pharmaceuticals hat sich in den letzten 50 Jahren in die Spitzengruppe der chinesischen Pharma-Riesen emporgearbeitet. Mit Luzsana, der Tochter für die Aktivitäten des Unternehmens im Westen, wollen die chinesischen Pharmazeuten den Weltmarkt aufmischen. Schon lautet der Tenor: „Ein Start-up wie kein anderes.“ Zumindest, wenn es nach dessen medizinischen Leiter Joseph Eid geht.

Heilendes Licht für den Westen

Das heilende Licht soll es werden. Das verspricht zumindest der (spanisch anmutende) Name des Unternehmens: Luz- für ‚Licht‘ und -sana für ‚heilend‘. Mit elf Medikamenten der chinesischen Mutter im Rucksack geht es Richtung Westen. Mit dabei: Das in China zugelassene PD-1-Krebsimmunpräparat Camrelizumab.

Um die westlichen Märkte umzurühren, haben sich die Chinesen gleich zu Beginn zwei erfahrene US-Manager eingekauft: Joseph Eid und Scott Filosi. Eid, zuletzt Leiter der globalen medizinischen Aktivitäten von Bristol Myers Squibb, wird nun Chefmediziner von Luzsana. Filosi, ein Experte für die Markteinführung von Medikamenten, kommt von Merck und ist nunmehr der CEO des „heilenden Lichtes“.

Anstatt die gesamte Palette der chinesischen Mutter in den Westen zu karren, will Luzsana sich mit einem kleinen Portfolio mit „echtem Innovationspotential“ vor allem auf den US-Markt konzentrieren. „Dabei berücksichtigen wir auch die Unterschiede zwischen China und dem Westen in kultureller und geschäftlicher Hinsicht“, so Filosi.

Vor allem durch die Schaffung einer eigenen – westlicheren – Identität glaubt man in Sachen Kundenakquise und Recruiting leichter voranschreiten zu können. Vor allem die ein breites Medienecho nach sich ziehende Ablehnung des PD-1-Hemmers Sintilimab des chinesischen Biotech-Entwicklers Innovent Biologics und seinem US-Partner Eli Lilly durch die FDA dürfte da (mit-)entscheidend gewesen sein.

Schlankes Portfolio und westliche Identität

Die elf Programme, mit denen Hengruis Tochter in den Westen losgeschickt wird, konzentrieren sich auf Onkologie. Ganz zuvorderst ist der PD-1-Inhibitor Camrelizumab zu nennen, gefolgt von PARP-Inhibitor Fuzuloparib und dem Androgenrezeptor Antagonist SHR 3680.

Joseph Eid bezeichnete die Pipeline in einem Interview als halbvolles Glas – risikoarm und potentialreich.

Vor allem mit Camrelizumab will man punkten. In China ist der Wirkstoff unter AiRuiKa für mehrere Krebsindikationen zugelassen. Im Westen kombinierte man es mit dem unter Rivoceranib bekannten VEGFR-Hemmer Apatinib. In einer globalen Phase-3-Studie habe man bei neu diagnostizierten Leberkrebspatienten die Wirksamkeit von Bayers Nexavar übertroffen, so Hengrui in einer Aussendung.

Aber selbst wenn die Zulassung von der US-Arzneimittelbehörde FDA gewährt wird, bleibt der US-Markt für die Chinesen ein schwieriges Terrain. Gerade Onkologie ist ein Territorium fest in Händen der nordamerikanischen Big Pharma.

Offenbar will man über den Preis den Markteinstieg schaffen. Zwar sprach CEO Filosi das bislang nirgendwo offen an, doch fallen in Zusammenhang mit Luzsanas Aktivitäten auf dem Markt immer Begriffe wie „Zugänglichkeit“, „Verfügbarkeit“ und „Erschwinglichkeit“. Zwar kennen die Manager von Luzsana die US-Vermarktungspraxis von hohen Preisen mit hohen Rabatten aus eigener Erfahrung sehr gut, aber dennoch kann man aus solchen Worten Scott Filosis eine Tendenz heraushören: „Es ist paradox, wenn wir einerseits in einer Zeit höchster Innovation sind, in der mehr innovative Medikamente zugelassen werden als je zu vor – und andererseits Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit damit nicht Schritt halten.“

Preiskampf als erster Spielzug?

Entwicklungs- und Herstellungskosten könnten mithilfe der Mutter günstig nach China ausgelagert werden. Daraus ergebe sich eben ein strategischer Vorteil, ist Luzsanas CEO überzeugt: „Mit Hengrui als Muttergesellschaft könne man aber die Entwicklungskosten massiv senken und habe daher Potential, das man in die Verbesserung des Zugangs reinvestieren kann“, so Filosi.

Um sich erfolgreich mit asiatischen Produkten in den US-Markt zu drängen, hat man Jeff Crowther ins Boot geholt. Der nunmehrige President of Commercial Strategy und Global Operations von Luzsana half dereinst erfolgreich dem südkoreanischen Neueinsteiger SK Biopharmaceuticals‘ SK Life Science auf den nordamerikanischen Ring: Unter seiner Ägide gelang es den Südkoreanern ihr erstes Medikament von der FDA zuzulassen: das Krampftherapeutikum Xcopri.

Man darf also gespannt sein, mit welchen Schritten sich die chinesischen Player dem westlichen Spielbrett nähern. Scott Filosi charakterisiert es so: „Wir werden bereit sein, wenn wir die Möglichkeit haben, unser erstes Medikament auf den Markt zu bringen“.

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