Warum wird die Stimme des Patienten immer wichtiger?
Die Stimme der PatientInnen wird öfter gehört – von Pharma-Industrie und von Gesundheitsbehörden. Doch wie evaluiert man subjektive Erfahrungen? Und wie bringt man sie mit klinischen Studien zusammen?

Im Laufe der Zeit haben die subjektiven Erfahrungen vom Patientinnen und Patienten mit ihrer Therapie an Bedeutung gewonnen. Neben der psychisch-emotionalen Komponente der stärkeren Selbstwahrnehmung der PatientInnen im Behandlungsprozess gibt es auch klare wirtschaftliche Interessen. Denn Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt versuchen zu ermitteln, ob und inwiefern neue Therapien PatientInnen einen (zusätzlichen) Nutzen bringen. Im Hintergrund steht dabei immer die finanzielle Frage: Lohnt der Nutzen den finanziellen Aufwand?
Und in die in diesem Bereich getroffenen Entscheidungen – vor allem die Behandlungsentscheidung – werden PatientInnen heute stärker miteinbezogen als es in früheren Zeiten der Fall war. Wie gut eine neue Therapie die Bedürfnisse von PatientInnen berücksichtigt, ist entscheidend für ihren nachmaligen kommerziellen Erfolg. Pharma-Unternehmen des großen nordamerikanischen Marktes beziehen die Stimme von Patientinnen und Patienten immer mehr in ihr Health Technology Assessment (HTA), also in ihre Kosten-Nutzen-Rechnung ihrer neu entwickelten Präparate, mit ein.
Schwere Messbarkeit leicht gewonnener Informationen
Doch die Einbeziehung von PatientInnenerfahrungen ist nicht immer leicht. Wenn erörtert werden will, wie lange ein Patient mit einer bestimmten Therapie noch arbeiten kann, oder welche Leistungen eine Patientin mit einer Therapie im Vergleich zu anderen Therapien erbringen kann, so gestaltet sich die Messbarkeit des Nutzens oft als große Herausforderung. Für die Evaluierung der klinischen Wirksamkeit einer Therapie ist aber gerade diese Messbarkeit essenziell.
Sudesh Basra und Harrison Davis, Leiter von PRMA Consulting, einem Beratungsunternehmen, das Pharma-Unternehmen mit neuen Präparaten auf den Markt begleitet, zeigen sich in einer kürzlich publizierten Aussendung davon überzeugt, dass erkenntnisorientierte Auswertung von (fachlich ungefilterten) PatientInnenerfahrungen (Patient Reported Outcomes, PRO) und HTAs entscheidend sind, um das Erstattungspotential eines Präparates abzuschätzen.
Besseres Hinhören bringt höheren Nutzen
Hersteller, die verstehen, welche Symptome von bestimmten Krankheiten die Patientinnen und Patienten besonders stark beeinträchtigen, können die Auswirkungen von Therapien auf die gesundheitsabhängige Lebensqualität besser erfassen, wenn sie sich mehr mit PROs auseinandersetzen. Mehr noch, man kann die Entwicklung von Therapien in die von Patientinnen und Patienten offenbar gewünschte Richtung lenken.
In Großbritannien hat so eine Analyse im Bereich der Duchenne-Muskeldystrophie aufschlussreiche Erkenntnisse gebracht: So ergaben die Rückmeldungen von PatientInnen, dass die Erhaltung der unabhängigen Mobilität und die Verzögerung der Zeit bis zur erzwungenen Rollstuhlbenutzung sich stärker auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität auswirken als andere, bislang betrachtete Parameter.
Schwierige Definition der Zusammenhänge
Die größte Herausforderung besteht jedoch einerseits darin, den Wert einer Therapie objektiv zu definieren, und andererseits darin, die Frage zu beantworten, wie die therapeutische Wirkung mit den patientenrelevanten Erfahrungen zusammenhängt. Welche Schwierigkeiten sich da auftun, kann man etwa anhand des Beispiels der Erörterung des „Schweregrades“ einer Erkrankung (mit all ihren qualitativen und quantitativen Parametern) erkennen. Da ist methodisch in Zukunft sicher noch einiges zu klären, vor allem wie man qualitative Daten aus den PROs mit quantitativen Daten aus klinischen Untersuchungen zusammenfügt und gegeneinander abwägt.
Klar ist aber, dass Gesundheitsbehörden in allen Teilen der Welt die Bereitschaft erkennen lassen, auf die Stimme der Patientin und des Patienten stärker zu hören und die aus direkten Befragungen gewonnenen Erkenntnisse in die Nutzenbewertung eines zulassungswerbenden Präparates stärker einfließen zu lassen.